Die Heilkraft des Erzählens

Das “Erzählen” hat bei der Aufarbeitung traumatischer Erlebnissen auf Grund seiner enormen Wirksamkeit schon seit Langem einen hohen Stellenwert. Von seinen Erlebnissen zu berichten, sich und seine Wertvorstellungen in der Welt und in der Gemeinschaft der Anderen zu verorten hat etwas Heilendes. Das nutzte bereits Sigmund Freud, der seinen Patienten mit der Kraft des Zuhörens begegnete. Der Drang zum Erzählens wird auch durch die Flut von Autobiografien oder Blogs deutlich.

In der Traumatherapie ist eine behutsame Konfrontation mit dem Erlebten inzwischen zum Goldstandard zur Verarbeitung auch komplexer lebensbedrohlicher Erlebnisinhalte gereift.
Bei 70 bis 80 Prozent der Patienten mit dem Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sinken nach der Erzähltherapie die Symptome unterhalb die Diagnoseschwelle.

Symptome wie Angst- und Depressionen gehen zurück, zwischen- menschliche Probleme werden weniger und die zuvor häufig eingeschränkte Lern- und Berufsfähigkeit erholt sich wieder.

Bewährt hat sich die Erzähl-Behandlung selbst bei Opfern von Mehrfachtraumatisierung oder andauerndem Kindesmissbrauch, Folter, Vergewaltigung, Menschenhandel oder bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Das körperliche Erleben während des Erzählens ist von besonderer Bedeutung. Ein Wiedererleben auch im Körperausdruck sichtbar, bekommt durch behutsames Führen am sicheren Ort eine besondere Bedeutung.

Peter Levine`s Begriff der Komplettierung und die Essenz der narrativen Expositionstheorie schaffen einen Zugang zu den traumatischen Gedächtnisinhalten. In meiner Arbeit mit Betroffenen kommt diese Form der körperorientierte Erzähl-Therapie zur Anwendung. Dabei orientiere ich mich an neurobiologischer Forschung aktueller Publikationen.